Trauer um Hans-Dietrich Genscher

genscher1Hans-Dietrich Genscher hat die Freie Demokratische Partei von 1974 bis 1985 als Bundesvorsitzender geführt. Von 1969 bis 1974 hat er Deutschland als Bundesinnenminister und danach bis 1992 als Außenminister gedient. In seiner Amtszeit hat Genscher maßgeblich zur Beendigung des Kalten Krieges sowie zur Überwindung der deutschen und europäischen Teilung beigetragen.

Es ist Genschers Verdienst, dass die Staaten des Warschauer Paktes 1975 mit der KSZE-Schlussakte die Achtung der Menschenrechte und die liberalen Grundfreiheiten als Basis der Zusammenarbeit zwischen Ost und West anerkannten – womit eine Grundlage für die Arbeit von Dissidenten und Menschenrechtsorganisationen im kommunistischen Osteuropa gelegt werden konnte.

Es war Genscher, der bereit war, die als Glasnost und Perestroika bekannt gewordenen Reform-Ankündigungen des sowjetischen Staats- und Parteichefs Gorbatschow ernst zu nehmen – zu einem Zeitpunkt als Bundeskanzler Kohl den Generalsekretär des ZKs der KPdSU in einem Interview mit Nazi-Propagandaminister Goebbels verglich. Genscher etablierte Deutschland durch seinen unermüdlichen diplomatischen Einsatz als international geschätzten und vertrauenswürdigen Partner und schuf damit die Grundlage dafür, dass nicht nur die drei West-Alliierten sondern auch die Sowjetunion dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und der Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands in Nato und Europäischer Union zustimmten.

Durfte Genscher die Wiedervereinigung Deutschlands als den Höhepunkt seines politischen Wirkens als Außenminister erleben, so fällt der Tiefpunkt in seine Amtszeit als Bundesinnenminister. Während der Olympischen Spiele in München 1972 nahmen palästinensische Terroristen israelische Sportler als Geisel. Genscher bot sich den Terroristen als Austauschgeisel an, da ihm – der die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten als junger Mann erlebt hatte – der Gedanke unerträglich war, dass Juden in Deutschland wieder um ihr Leben fürchten mussten. Als Konsequenz aus dem fehlgeschlagenen Befreiungsversuch der Polizei, der mit dem Tod der Israelis endete, gründete Genscher die Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes GSG 9. Wenige Jahre später, als palästinensische Terroristen die Lufthansa-Maschine Landshut entführten, um damit die in Deutschland inhaftierten Gründer der Baader-Meinhof-Gruppe freizupressen, erwies sich zum ersten Mal die Weitsichtigkeit von Genschers Gründung.

Zeichen setzte Genscher als Bundesinnenminister ebenso durch die Etablierung der Umweltpolitik. 16 Jahre bevor erstmals ein gesondertes Bundesumweltministerium errichtet wurde, wurde unter Genschers Federführung 1971 das erste Umweltprogramm einer Bundesregierung verabschiedet. Im selben Jahr rief Genscher den Sachverständigenrat für Umweltfragen ins Leben und gründete 1974 das Bundesumweltamt. Genschers Wirken förderte maßgeblich das Umweltbewusstsein der Bevölkerung und der Politik. Die FDP war 1971 die erste Partei, die Umweltpolitik in ihr Programm aufnahm.

Hans-Dietrich Genscher ist am 31. März 2016 zehn Tage nach seinem 89. Geburtstag einem Herz-Kreislauf-Versagen erlegen. Die Freien Demokraten verneigen sich in Hochachtung vor der Lebensleistung eines großen Liberalen.


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